10
Mai
2018
13:22 PM

One-Shot Synästhesie

Ein im November 2017 von Alexandra Kirschner und Danko Nikolić publizierter Artikel beschreibt erstmals eine seltene Synästhesieform und stützt damit ihre relativ neue These, dass Synästhesien nicht angeboren sind.

Es wird allgemein angenommen, dass bei synästhetischem Erleben die Sinnesreizung einer Modalität eine zusätzliche Sinnesreizung einer anderen Modalität auslöst. Ein Beispiel hierfür wäre das Hören von Musik, das Farb- oder Geschmacksempfindungen hervorruft.
Daraus wird abgeleitet, dass eine direkte Verbindung zwischen den entsprechenden Gehirnarealen besteht.
 
Wir zeigen, dass Synästhesie ein viel reichhaltigeres und flexibleres Phänomen sein kann, als bisher angenommen. Es ist möglich, dass sich zusätzliche synästhetische Erfahrungen entwickeln, wenn sich Begebenheiten im Leben der Menschen ereignen. Wir beschreiben Fälle von Synästhetikern, die gelegentlich ungewöhnliche, synästhetische Erfahrungen haben, sogenannte One-Shot-Synästhesien. 
Diese synästhetischen Erfahrungen scheinen alle Eigenschaften mit klassischen Synästhesien gemeinsam zu haben, mit der Ausnahme, dass sie extrem selten vorkommen und sich die Betroffenen später nur an wenige dieser Ereignisse erinnern können. Es scheint, dass diese One-Shots nicht zufällig entstehen, sondern stattdessen Reaktionen auf bestimmte Lebensereignisse sind.

Wir vergleichen die Eigenschaften dieser seltenen Synästhesie mit denen anderer bekannter Formen, die ebenfalls durch neue synästhetische Erfahrungen entstehen, welche sich aber alle paar Sekunden ereignen. Wir vertreten die Ansicht, dass One-Shot-Synästhesien darauf hindeuten, dass Synästhesien nicht von Geburt an vorhanden sind, sondern sich dynamisch durch mentale Vorgänge entsprechend den Bedürfnissen eines synästhetischen Verstandes entwickeln. Unsere Schlussfolgerungen können zum Verständnis der biologischen Grundlagen von Synästhesie und der Rolle, die sie im Leben von Synästhetikern spielt, beitragen.

(Zusammenfassung: Alexandra Kirschner)

Zum englischsprachigen Artikel geht es hier.



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